Rückblende: Camaret-sur-Mer
Camaret ist einer der günstigsten Häfen vor einer Biskaya-Überquerung. Es gibt höchstens noch Audierne, womit man der nordspanischen Küste noch etwas näher käme, aber alle weiteren Häfen liegen wieder ein ganzes Stück weiter östlich, sodaß man keine Strecke Richtung Cabo Fisterre spart, und es gleichzeitig noch schwerer hat, gegen die meist vorherrschenden westlichen Winde voranzukommen. Kein Wunder also, daß sich in Camaret alle möglichen Langstreckensegler treffen, die hier ankommen oder noch über die Biskaya weiter wollen. Leider sind die meisten mit größeren, und somit schnelleren, Booten unterwegs, sodaß mir deren Meinungen zu geeigneten Wetterfenstern nur bedingt helfen. Davon abgesehen habe ich bei manchen auch meine Zweifel über die Sinnhaftigkeit ihrer Planung. Ich lasse mir jedenfalls etwas Zeit, auch wenn es schwerfällt, und sehe mir zur Ablenkung die Gegend an.
D. und sein neuer Mitsegler sind am Samstagmorgen abgefahren, werden aber später berichten, daß sie die gesamte Strecke mit Motor gefahren sind. Ich mache mich stattdessen auf den Weg zum nächstgelegenen Kap, der Pointe de Toulinguet, vor der die berüchtigte Toulinguet-Passage liegt. Warum man die unbedingt befahren muß, weiß ich nicht, denn außenrum ist nicht soviel weiter, aber hier sind schon einige Schiffe verlorengegangen.
Vom Aufstieg zum Plateau aus hat man einen schönen Blick zurück zum Hafen.
Das Ufer ist für die Bretagne typisch sehr schroff und felsig. Bei schwerem Wetter sollte man ihm nicht zu nahe kommen. Das viele Heidekraut verleiht der Szenerie aber einen sanften Touch. Ich vermeide es trotzdem, bei 8 Bft und heftigem Regen hierher zu kommen.
Weiter oben sieht man schon die Verteidigungsanlagen, die am südlichen Ende der Zufahrt zum Hafen von Brest natürlich eine wichtige Bedeutung hatten. Und offenbar noch haben, denn der Bereich hinter der alten Mauer, die das gesamte Kap absperrt, ist immer noch militärisches Sperrgebiet.
Daß man es mit der Verteidigung ernst nahm, zeigen der massive Turm nebem dem Eingangstor und die hohe Mauer mit Graben, die sich bis an die Kante der Klippen sieht. Dort wird es am Ende schon sehr steil, es war bestimmt nicht einfach, die Mauer hier fertigzustellen.
Zurück am Hafen - es wurde zwischendurch doch etwas naß - ist eine Dusche fällig. Die sanitären Einrichtungen bestehen wahlweise aus zwei Containern, die dem starken Verkehr nicht gewachsen sind und dementsprechend schon sehr gelitten haben, und den alten Anlagen, die sich ganz unauffällig in das Hafenbild einfügen. Sie sind nämlich in einer Art Keller neben dem Tour Vauban untergebracht. Sie sind zwar alt, aber haben die Zeit besser überstanden und sind in der Regel auch sauberer, vermutlich weil weniger bekannt, und daher meine erste Wahl.
Am Wochenende findet auch die Fête du Nautisme in Camaret statt, zu der zig alte Boote gekommen sind und ihre Runden im Hafen drehen. Bei bestem Wetter und leichtem Wind können sie unter Vollzeug an der Promenade vorbeisegeln.
Ein weiterer Ausflug - es geht eigentlich immer den Berg hoch, wenn man sich vom Hafen entfernt - bringt mich zur Pointe de Pen Hir. Dem nächsten Kap südlich von der Pte. de Toulinguet. Hier wurde im zweiten Weltkrieg eine umfangreiche Bunkeranlage gebaut, die heute ein Museum ist.
Auf der Südseite liegt eine sehr hübsche Bucht, die zum Ankern beliebt ist. Allerdings nur bei ruhigem Wetter, in der Regel für Tagesausflüge, denn der Schwell setzt hier meist auch hinein und sorgt für unruhige Nächte. Der im Hafen genügt mir schon.
Im Hafen ist ein ständiges Kommen und Gehen, und meistens ist er gut belegt, deswegen ist der Blick auf den Sonnenaufgang selten frei. Nur wenn zum richtigen Zeitpunkt eine Meute nach Norden oder Süden aufbricht, scheint morgens die Sonne durchs Fenster.
Richtung Osten war ich bisher noch nicht gekommen, deswegen führt mich die nächste Wanderung dorthin. Auf dem Weg kommt man am Fischerhafen vorbei, wo ich mich mit einem halben Dutzend Austern, Kaliber 2, ausstatte. Ein paar hundert Meter weiter gibt es einen schönen Blick auf den Hafen.
Und noch einen knappen Kilometer weiter müssen die Austern dran glauben, bevor sie zu warm werden. Der amerikanische Stahl des Leatherman ist glücklicherweise zäh genug für die französischen Austern.
Irgendein Ziel muß man ja haben, und ich hatte eine kleine Grabstätte, die Dolmens de Rigonou in der Karte gesehen. Diese zu finden, ist allerdings nicht einfach. Der Zugang und die Dolmens selbst sind im hohen Farn kaum zu finden. Offenbar wurden sie vor ein paar Jahren auf einem Grundstück, dessen Besitzer nicht zu ermitteln war, entdeckt, freigelegt und kartografiert, und dann wieder sich selbst überlassen. Viele Touristen kommen hier sich nicht her.
Auf dem Rückweg komme ich an einer hübschen Kapelle im Wald vorbei, die dieselbe Art von Treppe auf dem Dach besitzt wie die Schifferkirche am Hafen. Eine praktische Art, an die Glocke zu gelangen.
Natürlich hat Camaret selbst auch eine große Kirche in der Stadt.
Irgendwann kann ich mich auch dazu aufraffen, den Tour Vauban, an dem ich täglich mehrmals vorbeikomme, zu besichtigen. Eine spannende Anlage von ehemals wohl hohem militärischen Wert; jedenfalls wird der Ingenieur Vauban hoch gelobt, weil er viele Disziplinen zusammengebracht habe. Warum der Graben um den Turm nur zur Springzeit Wasser führt, wird allerdings nicht erklärt.
Auf meiner letzten Wanderung Richtung Süden finde ich neben spektakulären Aussichten von den fast blanken Hügeln (nur das übliche Heidekraut wächst hier) eine hübsch eingefaßte Quelle. Ein paar Schritte weiter ist eine Art Campingplatz, der aber nicht öffentlich zu sein scheint. An dieser Quelle holen sich die Camper offenbar ihr Wasser, also scheint es recht sauber zu sein.
Am letzten Tag vor der Abreise (Dienstag, 27.8.) buche ich eine Fährfahrt auf die Île de Ouessant. Der Herbst kommt schon näher und so weit im Westen ist die Sonne eh etwas später dran, deswegen muß ich zu Sonnenaufgang gegen halb acht schon los.
Die Fähre macht gute 20 Knoten, aber durch den Zwischenstopp in Le Conquet und die Entfernung dauert die Anreise etwas über eine Stunde. Nicht allzu schlimm, finde ich, denn es gibt ja unterwegs im Chenal du Four auch einiges zu sehen. Es ist nicht viel Strom, aber auch so ist die Strecke spannend - zwischen all den Felsen hindurch, die allerdings gut bezeichnet sind. Bei schwerem Wetter natürlich trotzdem eine Herausforderung...
Auf der Insel geht es natürlich erstmal den Berg hoch, denn die Insel ist, ähnlich wie das Festland, ein Plateau mit anständigen Klippen an den Rändern. Erstes Ziel ist der Phare du Stiff, einem wichtigen Leuchtturm an der Ostseite der Insel.
Trotz einiger Fähren, die Touristen bringen, ist die Insel relativ leer. Allerdings ist sie auch weitläufiger als gedacht. Deswegen leihe ich mir im Ort, nachdem ich eine ganze Weile dorthin gewandert bin, ein E-Bike. Da man diese ohnehin nur schwer klauen kann, besteht der Mietvorgang nur daraus, daß man einen Geldschein übergibt und daraufhin ein Fahrrad ausgehändigt bekommt, mit der Ansage, man solle es einfach im Ständer bei den anderen am Hafen hinstellen.
Der Hauptort der Insel, Lampaul, ist wie der Rest der Insel bildhübsch und bietet alle notwendigen Einrichtungen. Natürlich auch eine Crêperie, die mich mit Galettes und Cidre versorgt.
Natürlich darf auch auf der Insel die übliche Schifferkapelle nicht fehlen, denn Fischerei wurde auch von hier aus betrieben. Die Kapelle ist zwar klein, aber besonders hübsch eingerichtet.
Obwohl ich auf der Insel nirgendwo Getreideanbau entdeckt habe, scheint es früher welchen gegeben zu haben. Oder es wurde importiertes Getreide gemahlen, denn ich stoße alle paar Kilometer auf kleine Mühlen, die alle dieselbe Bauart haben. Manche sind nur noch runde Fundamente, andere alt und verfallen, und eine ist vor kurzem neu aufgebaut worden.
Nach einer Pause im Schatten (davon gibt es eindeutig zuwenig auf der Insel) geht es zurück zum Hafen. Die Fähre braucht auf dem Rückweg noch einige Zeit länger. Der Strom im Chenal setzt jetzt nach Norden und selbst bei 20 Knoten durchs Wasser macht sich das bemerkbar.
Abends sieht der Wetterbericht noch nicht danach aus, daß das Wetterfenster für die Biskayaüberquerung sich so ausbildet wie erhofft. Doch der nächste Tag bringt schließlich die Entscheidung! Das steht aber in einem anderen Post...