Segeln mit Akka

La Manche

Die Zeit des westsetzenden Strom hat sich mit der Mondphase etwas nach hinten verschoben, sodaß ich ausschlafen kann. Um 1000 reiße ich bei bestem Wetter den Motor an und mache mich auf den Weg (natürlich auch nach Westen). Am Riesenrad vorbei zwischen den beiden langen Molen hindurch geht es zur Hafenausfahrt von Nieuwpoort und bei südlichem Wind mit 3 Bft kann ich direkt danach Groß und Genua setzen.
IMG_20240715_100744_Riesenrad Diverse andere Yachten sind auch unterwegs nach Westen - mit unterschiedlichen Fähigkeiten, einen konstanten Kurs zu halten, und die Ansichten darüber, ob einige Meter Abstand auf freier See ausreichend sind, waren auch nicht einheitlich. Die meisten winken aber fröhlich und sind sich keiner Schuld bewußt. Die einen oder anderen sind vielleicht etwas irritiert, wenn man einen Vollkreis fährt, um Platz zu schaffen.
Dünkirchen/Dunkerque/Dunkirk ist direkt nach der Hafenausfahrt bereits in Sicht - das große Stahlwerk stößt in regelmäßgen Abständen große weiße Wolken aus. Bei Nacht konnte man früher, besonders bei niedrigen Wolken, auch den roten Wiederschein des Stahlabstichs sehen, der offenbar direkt in Eisenbahnwaggons gegossen wird. Diesmal konnte ich das aber nicht beobachten - ist auch schon etwas her, daß ich das letztemal hier war.
Der Strom schiebt uns an den Flachs entlang bis der Passe de l'Est erreicht ist. Diesem folgen wir bis zur mächtigen Hafeneinfahrt mit dem Leuchtturm auf der Westmole.
IMG_20240715_140447_Dunkerque_Ansteuerung Die Ampel ist grün (grün über grün über weiß), also geht es direkt hinein. Ein anderer Segler hat hier eine panne de moteur - zum Glück ist ein Schulboot mit kräftigem Motor in der Nähe. Ich glaube, mit Akkas 6 PS hätte ich Mühe gehabt, den zu schleppen. Als erste Marina erreicht man auf der Ostseite des alten Hafens die Marina Grand Large. Nach einem kurzen Zwischenstop am Passentensteiger, der hier natürlich Ponton des Visiteurs genannt wird, darf ich mich in eine freie Box legen. Eine bequeme Sache, denn von diesem sicheren Liegeplatz aus werde ich Zeuge von spannenden Manövern am Gästesteg.
IMG_20240715_141614_Leuchtturm In Dünkirchen bleibe ich zwei Nächte. Leider werde ich auch hier nicht fündig, was Ersatz für meinen Pinnenpiloten angeht. Dafür ist die Stadt und der Hafen sehenswert, vor allem das Schiffahrtsmuseum, das auch die Stadtgeschichte erzählt.
Am Mittwoch (17. Juli) nehme ich Kurs auf Boulogne. Es steht noch etwas Gegenstrom als ich auslaufe, aber es sind ca. 45 NM, also schadet es nichts, schon loszufahren bevor der Strom kentert.
IMG_20240717_102941_Kaputte Mole Weil der Wind, natürlich aus Westen kommt, aber zumindest nicht ganz auf der Nase steht, ist Motorsegeln angesagt. Zuerst allein mit Groß und später als das Fahrwasser einen kleinen Knick macht, hilft auch die Genua mit. Hier ist noch etwas Verkehr nach Dunkerque - einige kleinere Frachter fahren in den inneren Hafen und müssen zur östlichen Einfahrt, wo die Schleusen sind. Die Fähren und großen Frachter fahren zum neueren Westhafen. Das Fahrwasser ist zum Glück breit und so kann man sich aus dem Weg gehen.
IMG_20240717_121223_Dickschiff Nach der Einfahrt zum Westhafen kreuze ich das Fahrwasser auf die Südseite. Nächster Knotenpunkt ist Calais, das dauert aber noch ein bißchen. Die Genua wird zwischenzeitlich eingerollt weil der Wind jetzt wieder mehr von vorne kommt. Motor und Strom machen ihre Sache aber gut. Um 1500 bin ich nördlich von Calais. Der Wind frischt jetzt auf 3-4 Bft auf, hilft aber nicht. Ich meine, die Küste von England sehen zu können, bin mir aber unsicher, ob das aus einem Meter über dem Meer geometrisch überhaupt geht. Das muß ich später ausrechnen. In Calais ist mit eine großen Anzahl an Fähren zu rechnen, die über den Kanal hin- und herfahren. Ich habe Glück und kann das Fahrwasser kreuzen als gerade drei Stück eingefahren sind.
IMG_20240721_183247_Faehre Zwischen dem Fahrwasser nach Calais und dem Cap Gris Nez, hinter dem ich nach Süden abbiegen muß, wird das Wasser sehr unruhig. In der Meerenge zwischen Calais und Dover wird der Wind beschleunigt und um die Ecke gelenkt. Deswegen sind es jetzt sicher 4 Bft gegenan und mit dem schiebenden Strom kann sich eine kurze, steile Welle aufbauen, die sich mit dem Schwell, der aus Westen einläuft, auf interessante Weise überlagert. Ich versuche es zwischenzeitlich mit Segeln, was zwar stabilisiert, mich aber nicht besonders gut voranbringt.
IMG_20240717_162823_SPray Zwei Stunden später ist aber endlich das Cap Gris Nez erreicht. Das erste große Kap der Reise! Hier weitet sich der Ärmelkanal erheblich.
IMG_20240717_170705_Cap Gris Nez Ich biege nach Süden ab und nach Boulogne ist es nicht mehr weit. Port Control erlaubt uns die Einfahrt, im Marinafunk ist sehr viel los, deswegen suche ich mir einfach selbst einen Platz, was auch akzeptiert wird. Im Büro muß eine einzige Mitarbeiterin die Neuankömmlinge versorgen und sich um den Funk kümmern, was nicht funktioniert. Aber es organisiert sich alles irgendwie. Diverse Boote, die ich unterwegs schon getroffen habe, finde ich hier wieder.
IMG_20240717_184805_Boulogne Einfahrt Boulogne hat eine interessante Einfahrt mit einem gigantischen Vorhafen, aber die Marina ist nicht besonders hübsch gelegen und auch sonst gefällt mir die Stadt (oder das bißchen, das ich von ihr sehe) nicht besonders. Deswegen, und weil der Wind für morgen gering vorhergesagt ist, treffe ich die Entscheidung nur eben zu tanken, mich schlafen zu legen und in aller Frühe Richtung Süden weiterzufahren.
IMG_20240717_212344_Boulogne Hafen Bevor ich ablege, muß die elektronische Seekarte im Plotter noch gewechselt werden. Ich habe das Ende meiner ersten Karte erreicht, mit der ich bisher immer ausgekommen bin - von Südschweden bis eben Boulogne. Aber nun geht es weiter nach Südwesten und die neue sollte mich bis auf die Kanaren leiten.
Kurz vor Sonnenaufgang läßt mich Port Control auslaufen - es ist auch kein anderer Verkehr außer einem Angelboot. Im Vorhafen setze ich das Groß und die Genua und tatsächlich kann ich gut zwei Stunden segeln, bevor der Motor wieder angeht. Es ist nur eine weitere Yacht zu sehen, die etwas weiter außen segelt. Mit ablandigem Wind, keinem Seegang und angenehmen Temperaturen macht das richtig Spaß!
IMG_20240718_063317_Sonnenaufgang
IMG_20240718_062216_Mole Boulogne Es sind rund 55 NM bis nach Dieppe. Die längste Strecke, die ich bisher mit Akka gefahren bin. Die andere war gestern, von Dunkerque nach Boulogne...
Leider muß auch heute relativ bald der Motor wieder herhalten. Der Strom setzt nun gegen uns, aber nur mit etwas mehr als einem Knoten. Da müssen wir eben durch, denn so eine Strecke geht nicht mehr in einer Tide. Der Tag zieht sich etwas, aber zumindest ist das Wetter herrlich und ich muß mich nicht ums Ausweichen kümmern, denn sonst ist kaum jemand unterwegs. Nur ein paar Angelboote aus den diversen Häfen an der Küste, die auf den Flachs ihr Glück versuchen.
IMG_20240718_082955_ruhige See Immerhin bleibt Zeit, zwischendurch die Backwaren aus Boulogne zu genießen.
IMG_20240718_134000_Zwischenmahlzeit Interessant wird es nochmal rund 15 NM nördlich von Dieppe. Schon längere Zeit war ein großes Gebilde am Horizont zu sehen, das ich für eine Bohrinsel gehalten habe. Dementsprechend habe ich auch nicht damit gerechnet, daß die sich bewegt. Beim Näherkommen (immer noch locker 5 NM entfernt) stellt sich dann raus, daß das Teil geschleppt wird, aber die Richtung ist schwer auszumachen. Ein Guard Vessel meldet sich allerdings und bittet um einen Kurswechsel. Für mich fällt er noch relativ klein aus, Yachten, die hinter mir kommen, müssen teilweise einen ordentlichen Umweg in Kauf nehmen, um dem Verband aus dem Weg zu gehen.
Bald kommen Details der Normandie-Küste in Sicht. Zuerst sehen die Klippen nicht besonders hoch aus, aber aus der Nähe sind sie sehr beeindruckend.
IMG_20240718_180202_Kueste Noch deutlicher wird das, als die Fähre im Vorhafen festgemacht hat, und die Armada von kleinen Booten, die vor dem Hafen warten mußte, einfahren darf. Im Vorhafen kommt man recht nah an der Fähre vorbei und kann die Größe mit den Klippen vergleichen. Sehr imposant (beide!).
IMG_20240718_180940_Dieppe_Faehre Im Hafen kümmert sich direkt Hafenpersonal darum, mir einen Liegeplatz zu zeigen. Mit der kleinen Akka habe ich natürlich keine Schwierigkeiten, etwas zu bekommen. Dieppe ist endlich so, wie ich mir die französische Kanalküste vorgestellt habe. Eine lebendige Kleinstadt mit alten Häusern und Kirchen, einem Hafen, der von allen gemeinsam genutzt wird, Strandpromenade (wenn man sowas mag), und sogar mit einer alten Burg.
IMG_20240718_184313_Dieppe Marina Nach 100 NM in zwei Tagen brauche ich hier erstmal eine Pause. Auch gibt es hier einen Wassersportladen, der potentiell Ersatz für meinen Pinnenpiloten hat. Auch gibt es hier in unmittelbarer Nähe alles für den täglichen Gebrauch.
IMG_20240720_104959_Dieppe von oben Nächstesmal: Dieppe à pied
IMG_20240720_104938_Katze