Nach NE über die Biskaya
Am Freitag, den 16. Mai verlasse ich Ribadeo mit Kurs Nordost. Nach einer langen Zeit mit ungünstigem Nordwind soll sich nun endlich Ostwind einstellen. Das ist nicht ganz optimal, denn das heißt für mich Segeln am Wind - nicht so komfortabel wie vor dem Wind, aber zumindest geeignet, um nach Norden zu kommen. Audierne sollte ich mit einem Kurs von 020° erreichen, also ist jeder größere Kurs, den ich anlegen kann, vorteilhaft für mich.
Die Vorhersage ist insgesamt recht freundlich. Kein Regen, keine zu heftige Dünung und der Wind nicht zu stark, und das über mehrere Tage hinweg. Mit reichlich vorbereiteten Mahlzeiten und vollen Spritkanistern mache ich mich auf die Reise.
Zuerst kommt der schwache Wind noch mit 2 Bft aus N bis NE, aber ich nutze das, um gemütlich mit Kurs NE schon einmal einige Meilen weit nach Osten zu kommen. Je weiter ich im Osten bin, desto weniger hoch muß ich nachher am Wind fahren. Gegen 1100 verlasse ich den Río Eo mit dem Ebbstrom, setze das Groß und lasse den elektrischen Autopiloten die Arbeit machen. Langsam verschwindet die spanische Küste am Horizont.
Die Stimmung ist gut und ich werfe regelmäßig meine Tabletten gegen Seekrankheit ein, um schonmal vorzusorgen. Unbedingt nötig wäre es jetzt noch nicht. Gegen 1500 ist die Küste hinterm Horizont verschwunden und eine Stunde später sehe ich den ersten Verkehr, einen Frachter, der Ribadeo ansteuert.
Um 1800 setze ich die Fock zum Groß, bei dem ich das zweite Reff einbinde, lasse aber für einen bessere Kurs den Motor noch etwas laufen. Um halb acht kann ich den Motor abschalten und mache unter Segeln allein auf Nordkurs gute vier Knoten. Der Wind dreht langsam weiter auf NE und frischt in der Nacht auf 4 Bft auf, sodaß ich sogar 4,5 kts machen kann. Vermutlich ist der Kontinentalschelf schon in der Nähe, denn die Wellen sind recht kurz und steil, teilweise ist noch alte Dünung dabei, und es baut sich eine unangenehme Kreuzsee auf.
Am frühen nächsten Morgen stelle ich fest, daß meine Koje ein bißchen naß wird. Vermutlich ist die Abdichtung der Püttingeisen durch das Deck nicht mehr ganz in Ordnung und dadurch, daß ich permanent mit Krängung unterwegs bin, kann sich das Wasser auf der Backbordseite sammeln, wo auch meine Koje ist. Bisher geht es noch, aber später werde ich mich einfach auf dem Salonboden einrichten. Dort schaukelt es auch weniger, weil der Schwerpunkt in der Gegend liegt.
Die Dämmerung des zweiten Tages auf See setzt gegen 0600 ein und der Wind läßt etwas nach. Um die vier Knoten über Grund kann ich die meiste Zeit rausholen. Teilweise steuert der Windpilot, aber eigentlich macht Akka die Sache auch alleine sehr gut. Am Wind mit festgesetzter Pinne ist ein schön stabiler Kurs. Mittags kommen mir zwei Segelyachten TorrPenn und Coro Coro entgegen und später funke ich sogar kurz mit dem niederländischen Schiff WEC van Rijn, um zu koordinieren, wie wir uns freihalten wollen.
Ich kann den ganzen Tag über Kurse von etwas östlicher als Nord halten, aber ich hoffe, daß der Wind bald noch eine etwas östlichere Richtung annehmen wird. Abends frischt er aber zunächst wieder auf und produziert auch mehr Wellen. Der Großsegler Morgenster aus den Niederlanden kommt mir unter Vollzeug entgegen. Ein schönes Bild - sicherlich ist es für das Schiff eine völlig entspannte Reise, während der Komfort auf Akka etwas zu wünschen übrig läßt.
Der Sonnenuntergang ist prächtig. Im SW ziehen ein paar Cirren auf. Ich höre über RTTY den Wetterbericht vom DWD ab - zum Glück bringt er keine Überraschungen.
Nachts stelle ich fest, daß sich das AIS offenbar von meinen LED-Navigationslichtern am Masttop stören läßt. Das ist höchst unschön, denn ich brauche das AIS doch zur Kollisionsvermeidung. Ich verwende daher besser die Navigationslichter an der Reling. Ein toller Sternenhimmel und Leuchtalgen, die von Akka Kielwasser aktiviert werden, verschönern die Nacht. Vier Knoten über Grund sind immer drin, der Seegang hält sich in Grenzen (hier ist das Wasser auch tief genug) und um die 010° Kurs bringt mich weiter nach Norden.
Der Morgen dämmert wieder gegen 0600 und kurz danach bekomme ich Gesellschaft in Form von einer großen Herde kleiner Delfine. Einige Stunden lang begleiten sie mich - immer wieder schön anzusehen und eine gute Abwechslung.
Um 1000 Uhr sind es nur noch 100 Meilen bis nach Audierne! Der Wind dreht sogar auf ESE und Akka schafft einen Kurs von 030° bei über vier Knoten. Am frühen Nachmittag macht sich dann der Kontinentalschelf auf der nördlichen Seite der Biskaya bemerkbar. Der Meeresgrund steigt hier von etwa 4000 Metern auf nur noch 400 Meter und das Wasser wird unruhig. Apropos Wasser: Meine Befüllstutzen für den Trinkwassertank, der ganz in der Bugspitze am Deck sitzt, scheint nicht besonders dicht zu sein. Er ist oft überspült und ich merke langsam, daß das Trinkwasser ein wenig salzig schmeckt. Aber noch ist es längst nicht kritisch - ich kenne Mineralwässer, die salziger sind.
Auf dem AIS tauchen immer mehr Fischer auf. Eine ganze Flotte ist an der Schelfkante unterwegs. Das wird eine interessante Nacht. Gegen 1800 tanke ich schonmal nach, denn der Wind soll später nachlassen. Eine Stunde später schläft er tatsächlich ein, obwohl er kurz vorher noch mit 3-4 Bft geweht hat. Noch rund 60 Meilen habe ich vor mir. Ich berge die Fock und fahre unter Motor einen Kurs von 040°. Das paßt ganz gut für Audierne und ich gehe den unzähligen Fischern so hoffentlich auch aus dem Weg.
An Schlaf ist diese Nacht nicht zu denken. Am Canyon de Penmarc'h zähle ich ungefähr vierzig AIS-Ziele. Die Flotte scheint in kleinen Gruppen von etwa jeweils fünf Booten zu Fischen. Ich vermute, daß ein großes Netz zwischen diesen gespannt ist, denn sie bewegen sich in den kleinen Gruppen sehr einheitlich auf einer Linie. Zum Glück bleiben sie in ihrem Gebiet und ich kann ohne großen Umweg im SE an ihnen vorbeifahren. Die Nacht ist durch die starken Scheinwerfer der Fischer im NW erhellt - ich bin froh, daß ich dort nicht durch muß. Keine Chance, die Positionslichter der vielen Schiffe zu erkennen. Um 0500 sammeln sich die kleinen Gruppen dann und bewegen sich kaum noch. Offenbar ist jetzt Feierabend! Eine gute Gelegenheit für ein kleines Nickerchen, während der Motor uns weiterschiebt.
Früh am Morgen kommt noch einmal die Fock zum Einsatz, denn der Nordostwind meldet sich wieder. Es ist zwar nur ein Nordkurs drin, aber zumindest schweigt der Tohatsu mal für eine Weile. Endlich bin ich auch frei von der Fischern, aber dafür macht sich hier auf einem die Gezeitenströmung wieder bemerkbar. Der Strom setzt stark nach W als ich in die große Baye d'Audierne einfahre.
Das heißt für mich noch rund vier Stunden motoren gegen Wind, Welle und Strom. Eine zähe Sache, aber zumindest ist die Küste schon in Sicht und das Wetter ist herrlich!
Kurz vor Mittag umrunde ich die Mole von St. Evette und nach drei Tagen, 2,5 Stunden und 301 Meilen darf sich der brave Bruce-Anker wieder in französischen Meeresgrund graben. 18 Stunden Motor und im Schnitt 4,1 Knoten über Grund sind keine ganz schlechten Daten für eine an sich problemlose Biskayaüberquerung am Wind, denke ich.
Den Sonnenschein und die Wärme im Lee der Küste nutze ich sogleich, um meine feuchten Sachen aufzuhängen, bevor ich etwas wohlverdienten Schlaf nachhole...