Segeln mit Akka

Roscoff und Nachtfahrt nach L'Aber Wrac'h

Am Montag, den 5.8., nachdem ich etwas Schlaf nachgeholt habe, mache ich mich auf den Weg, die Stadt Roscoff zu erkunden. Die Marina liegt im Südosten der Stadt und bis in die Innenstadt sind es etwa 20 Minuten zu laufen. Der Fußweg führt einen direkt an den Vieux Port, den Stadthafen, der immer noch in Betrieb ist, aber durch die Gezeiten nur zu bestimmten Zeiten befahrbar ist. Bei Ebbe liegen dort alle Boote auf dem trockenen. Ein interessanter Anblick, denn der Hafen ist wirklich groß! Ohnehin ist in der Gegend um Roscoff das Spiel der Gezeiten etwas Besonderes. Die Île de Batz liegt im Norden der Stadt und ein schmales Fahrwasser mit etlichen Felsen darin ist dazwischen. Je nachdem ob Ebbe oder Flut ist, setzt ein ordentlicher Strom in diesem Gebiet und bei Niedrigwasser ist es kaum mehr befahrbar.
IMG_20240805_140246_Roscoff trockener Hafen Die kleinen Fähren, die zur Insel übersetzen, haben für diesen Zweck eine Art Brücke, die bestimmt 500 Meter lang ist, über die man zum Niedrigwasseranleger kommt. Bei Hochwasser kann die Fähre direkt an der Mole anlegen.
Die Stadt ist natürlich absolut vom Meer geprägt, denn der größte Teil liegt entlang des großen Hafenbeckens oder direkt oberhalb des Hafens am Hang. In der ersten Reihe am Wasser liegen die üblichen Lokale mit ihren Terrassen, in den Straßen dahinter diverse Läden mit lokalen Spezialitäten und Andenken, einem winzigen Carrefour und dem einen oder anderen Bäcker, und dann, den Hügel hinauf, Wohnhäuser und kleine Firmen in verwinkelten Gäßchen. Und immer wieder gibt es durch eine Lücke in der Bebauung einen tollen Blick auf die Insel und den Ärmelkanal.
IMG_20240805_141924_Roscoff Stadt Weil es an der Marina leider keinen Bäcker mehr gibt und ich das ohnehin für später mal ausprobieren will, hatte ich mir auf Guernsey schon etwas Mehl besorgt. Daraus mache ich einen schnellen Hefeteig, der in der Sonne schön aufgeht, und den ich auf kleiner Flamme im Topf mit genügen Öl backe. Nach etwa 25 Minuten wird das Brot umgedreht und nochmal 25 Minuten fertiggebacken. Erstaunlicherweise klappt das auf Anhieb und ich habe Brot für die nächsten Tage.
IMG_20240805_191337_Topfbrot Von der Stadt aus war mir schon die Halbinsel Perharidy aufgefallen. Diese nehme ich mir für Dienstag vor. Eigentlich führt der Weg um die Bucht "Laber" herum, aber es ist Niedrigwasser und somit kann ich die Abkürzung durch die Bucht hindurch nehmen. Nur ein kleiner Bach fließt noch zwischen den kleinen Sandhügeln durch, die von unzähligen Lebewesen im Boden gebaut werden. Diese Hügel sind ganz praktisch, denn durch sie bekomme ich keine nassen Füße.
IMG_20240806_161147_Laber Niedrigwasser In dieser Bucht zeigen sich die Vorteile von Mehrrumpfbooten deutlich. Ein paar liegen hier vor Anker, oder eher: auf dem Trockenen. Vielleicht wäre eine Hurley 22 in der Kimmkieler-Variante auch eine Option...
IMG_20240806_161437_Perharidy Perharidy ist wirklich hübsch, nur hat leider ein Sturm vor einiger Zeit den Baumbestand ziemlich verwüstet. Der Wanderweg um die Insel ist deswegen auch teilweise gesperrt. Wenn man vom "Wasser" her kommt, fällt das aber erst auf, wenn man auf der falschen Seite auf eine Absperrung trifft.
IMG_20240806_162008_Laber-Roscoff Von der Halbinsel tun sich immer wieder schöne Blicke aufs Meer oder auf die Île de Batz auf. Sie ist umgeben von geschützten Buchten, die nur teilweise trockenfallen und offenbar gerne zum Baden genutzt werden. Wegen der Strömungen bin ich mir nicht ganz sicher, ob das immer gut ist, aber zumindest sind die gefährlichen Stellen in der Regel klar gekennzeichnet.
IMG_20240806_162331_Strand_IleDeBatz Auf dem Rückweg nach Roscoff komme ich an einem alten Schlößchen vorbei, dem Château du Laber. Herrlich gelegen, aber leider in keinem besonders guten Zustand. Vielleicht findet sich ja ein Youtuber, der sich dessen mal annimmt.
IMG_20240806_165700_Laber-Chateau Ich muß allerdings wieder weiter. Und weil tagsüber doch immer ein ordentlicher Wind herrscht, der nachts zuverlässig abflaut, entscheide ich mich zu einer Nachtfahrt zu meinem nächsten Ziel L'Aber Wrac'h. Die Ansteuerung von Roscoff hat gut geklappt und die von L'Aber Wrac'h ist wesentlich einfacher. Das abendliche Hochwasser ist um kurz vor 2100, sodaß ich den Hafen um halb neun verlasse. Damit ist südlich der Île de Batz wenig Strom zu erwarten und ich komme noch mit Tageslicht durch das verwinkelte und felsige Fahrwasser. Die Seezeichen sind teilweise auch bei diesen guten Bedingungen nicht ganz einfach zu erkennen, aber GPS hilft auch hier einmal mehr.
IMG_20240807_205446_Roscoff Anleger Jetzt, bei Hochwasser, sieht hier alles sehr beschaulich und weiträumig befahrbar aus, aber nachdem ich die Ecke bei Niedrigwasser gesehen habe, weiß ich, was unter der Wasseroberfläche alles zu finden ist, und halte mich penibel an die Leitlinien. Zum Glück kommt mir unterwegs nur ein anderes Boot entgegen, an einer breiten Stelle.
IMG_20240807_210046_Ile de Batz Um halb zehn, kurz vor Sonnenuntergang ist die Tonne Basse Platte erreicht, die die westliche Ansteuerung des Kanals bezeichnet. Hier wird der Schwell vom Atlantik an diversen Felsen reflektiert und wirft eine unangenehme Welle auf. Ich halte mich daher insgesamt etwas weiter von der Küste als eigentlich geplant, um im tieferen Wasser etwas ruhiger fahren zu können. Daß der Wind von Südwesten kommt, und Motorsegeln angesagt ist, muß vermutlich nicht extra erwähnt werden - das sind wir ja inzwischen gewöhnt.
Um 2200 gehen die Lichtzeichen an Land an. Ich bin etwas verwundert, den Leuchtturm der Île Vierge jetzt schon sehen zu können. Später lerne ich, daß dieser Europas höchster Leuchtturm ist und offenbar der weltweit höchste gemauerte Leuchtturm. 27 NM weit trägt sein Licht, und deckt die Küste von Ouessant bis über Roscoff hinaus ab. Ein großer Sendemast mit sicherlich 200 m Höhe und befeuert mit Blitzlichtern ist aber auch nicht als Navigationsmarke zu verachten. Nacheinander kommt dieser mit verschiedenen Leuchttonnen in Deckung und gibt mit Standlinien, die zwar in GPS-Zeiten nicht viel nützen, aber als alternative Navigationshilfe bei Nacht durchaus beruhigend sind.
Der Mond ist bereits untergegangen und leichte Bewölkung sorgt dafür, daß es wirklich sehr dunkel wird. Akkas Navigationslichter leuchten die Wellen zwar etwas an und ich bin die Bewegungen inzwischen auch ganz gut gewöhnt, aber es ist doch manchmal unangenehm, wenn man in ein Loch fällt, das man vorher nicht gesehen hat. Immerhin sind Sternschnuppen zu sehen, und auch Delfine schauen kurz vorbei. Der Strom schiebt inzwischen nach Westen, und mein Team, allen voran Akka, die unterstützt wird vom zuverlässigen Tohatsu und dem Neuzugang, der steuert, bringt mich gut voran, ohne daß ich viel tun muß.
Noch einige Meilen von der Kardinalstonne Libenter entfernt, die für mich den Beginn der Ansteuerung darstellt, sorgt wieder chaotische See für einige Anstrengung und ich muß mich etwas festhalten. Aufgrund des Schwells mache ich mir etwas Sorgen wegen der Ansteuerung zwischen den Felsen (die ich nicht sehe), aber ein anderes Boot erscheint im AIS, das vor mir die Einfahrt nimmt. Das beruhigt immerhin etwas. Die Wolken haben sich auch etwas verzogen, und es sind viele Sterne zu sehen. Nur ärgerlich, daß der Mast so wild in dem Bild herumstochert. Bei ruhiger See könnte man das mehr genießen.
Um kurz nach zwei Uhr morgens ist die Tonne Libenter umrundet und ich bringe die beiden roten und weißen Blinklichter in Deckung, um auf der Leitlinie zwischen den Felsen durchzufahren. Witzigerweise sind die Lichter so angeordnet, daß die aus meiner Höhe dicht über dem Wasser tatsächlich zeitweise als eines erscheinen. Das läßt mich die Linie etwas präziser halten, aber kurz vor der Abzweigung nach Steuerbord, wo ein Sektorfeuer die Leitung übernimmt, scheint das hintere Licht plötzlich komplett zu verschwinden. Ein Ausfall wäre natürlich an dieser Stelle ungeschickt, aber nach einer kleinen Kursabweichung erscheint es wieder. Es war nur vom Mast des vorderen Lichts verdeckt worden.
Im Sektorfeuer taste ich mich das letzte Stück bis an die alte Mole heran. Hier stehen einige unbefeuerte Fahrwassermarkierungen, die teilweise aber Reflektorstreifen tragen und die ich durch Anleuchten mit dem Strahler "aktivieren" kann. Etwas unheimlich ist es schon, denn manche dieser Markierungen sind massive gemauerte Baken, sicherlich 10 Meter hoch und mehrere Meter im Durchmesser, die als dunkle Schatten an mir vorbeiziehen. Der Hafen erscheint mittelmäßig gut erleuchtet vor mir und ich reduziere die Fahrt, denn hier sollen ein paar unbefeuerte Muringtonnen liegen. Ich stelle mir welche von der Größe für Yachten vor, sehe aber erst spät eine gewaltige mit sicherlich 2 Meter Durchmesser, an der vermutlich eine Fähre festmachen kann.
Im kleinen Hafen suche ich mir eine freie Box, in der ich um halb vier morgens festmache. Leider muß ich mir den Wecker für 0800 stellen, denn es liegen Festmacher herum, die vermutlich bedeuten, daß der Besitzer des Liegeplatzes bald zurückkommt. Am nächsten Morgen, eigentlich an demselben Morgen, zeigt mir ein Hafenboot den Weg zum Fischersteg, an dem ich die nächsten Tage bleiben. Gut, daß ich mir den Weg nicht noch in der Nacht selbst gesucht habe - mitten im Hafen liegen nämlich auch einige Felsen, die, natürlich unbeleuchtet, markiert sind.
IMG_20240808_032913_Plotter Der Donnerstag ist im Wesentlich dafür da, etwas Schlaf nachzuholen und mich zu orientieren, aber der Wetterbericht läßt mir auch hier etwas Zeit, die Gegend zu erkunden.
Nächstesmal dann: L'Aber Wrac'h und das Ende der Welt
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