Segeln mit Akka

Überquerung der Baie de Seine

Der Tag (Sonntag, der 28.7.) beginnt deutlich vor Sonnenaufgang. Nach einem kurzen Frühstück bereite ich die letzten Dinge vor der Abfahrt vor. So langsam wird es schon Routine - vor allem ein gründlicher Motorcheck ist wichtig, denn den werde ich noch eine Weile brauchen. Alle Lampen funktionieren und so geht es um 0550 Uhr los. In der Hafeneinfahrt ist schon ein Schlepper dabei, die Rinne auszubaggern. Das ablaufende Wasser nimmt den aufgewirbelten Schlamm mit nach draußen. Wir arrangieren uns und ich nehme Kurs nach West entlang der normannischen Steilküste während die Sonne aufgeht.
IMG_20240728_062724_Sonnenaufgang Es ist wenig Wind, nur einige Cirren am Himmel und in den Tälern an der Küste ist noch Nebel zu sehen. Zumindest bin ich auf See davon bisher verschont geblieben.
IMG_20240728_073134_Nebel Der Strom kentert jetzt mit Hochwasser Dover, aber es herrscht ziemlicher Schwell, der für Schaukeln sorgt. Davor wurde ich insbesondere für das Cap d'Antifer gewarnt. Hier kann es bei Wind gegen Strom sehr garstig werden. Nachdem ich den Chenal d'Access zum gigantischen Ölhafen von La Hague-Antifer passiert habe (kein Verkehr), wird das aber besser. Hier fällt mir auf, daß die Tonnen des Fahrwassers auf beiden Seiten dieselbe Form haben. Nur die Farbe und die Toppzeichen lassen erkennen, ob es sich um Backbord oder Steuerbord handelt. Die Toppzeichen sind allerdings sehr klein und die Farbe auf größere Entfernung schwer zu erkennen. Nicht optimal, aber wofür hat man GPS... Das Groß setze ich bald, um das bißchen Wind, das sich manchmal zeigt, etwas zu nutzen.
IMG_20240728_073141_Gross Der Motor und der Strom tun ihr bestes, um Akka voranzubringen und um halb neun habe ich den Längengrad von Greenwich passiert. Der Kartenplotter nimmt es gelassen, aber es ist doch ungewohnt, daß die Zahlen jetzt wieder größer werden.
IMG_20240728_083948_West Kurz vor Mittag tanke ich aus dem kleinen Kanister etwas nach. Schadet ja nicht, wenn der Tank voll bleibt. Voraus sehe ich schon seit langem ein Kreuzfahrtschiff. Erst auf dem AIS, dann warnt der MerVeille vor dem Radar und dann taucht es auch sichtbar auf. Die Sicht ist fantastisch, sodaß man die großen Schiffe schon lange vorher sieht. Der Verkehr hält sich aber in Grenzen und AIS hilft gewaltig dabei, den Kurs der anderen einzuschätzen.
Die "Arcadia" liegt allerdings vor Anker. Möglicherweise wurden die Passagiere für den Landgang per Tender abgeladen. Einige Meilen südlich liegt die Küste, an der vor 80 Jahren die Alliierten gelandet sind, deswegen ist das denkbar. Die Mannschaft genießt die freie Zeit derweil auf dem Sonnendeck.
IMG_20240728_122908_Kreuzfahrtschiff Am frühen Nachmittag nimmt die Fahrt über Grund etwas ab auf rund 4 kts, während die Flut in den Kanal strömt. Inzwischen hilft die Fock auch etwas mit, den leichten Wind zu nutzen. Später läßt der Strom nach und der Wind nimmt zu. Ausnahmsweise mal aus NE! Die Küste ist im Südwesten inzwischen wieder zu sehen.
Langsam wird auch absehbar, daß ich meine Zeitplanung einhalten kann. St.-Vaast hat nämlich ein Tor in der Hafeneinfahrt, das nur zwei Stunden vor bis drei Stunden nach dem Hochwasser geöffnet ist, damit das Wasser bei Niedrigwasser nicht komplett abläuft und die Schiffe trockenfallen. Bis 1905 muß ich daher im Hafen sein, sonst muß ich vor der Ile Tahitou ankern und auf das nächste Hochwasser warten.
IMG_20240728_203833_Hafentor Ein paar Meilen vor der Ansteuerung packe ich das Groß ein. Die Fock reicht, um bei dem inzwischen recht strammen Wind gut voranzukommen. Außerdem ist sie schneller weggerollt, wenn es hektisch werden sollte. In der Karte sieht die Ansteuerung komplizierter aus als sie ist, zumindest bei Tag. Nach dem Umrunden der Kardinalstonne geht es an den Wind, und nach etwa einer Meile bin ich im Lee der Insel, packe die Fock weg und hänge die Fender raus.
Im Hafen wird mir beim Festmachen gleich geholfen. Einhandsegler wissen das zu schätzen. In der Capitainerie ist man auch sehr zuvorkommend. Angeblich ist St.-Vaast einer der teuersten Häfen in der Gegend, aber zumindest für Akkas 7 Meter Länge zahle ich weniger als in Fécamp. Bildhübsch sind Hafen und Stadt aber wie angekündigt.
IMG_20240728_190012_St Vaast Am nächsten Tag zeigt sich schon, daß ich hier nicht lange bleiben werde, denn das nächste Wetterfenster für die Fahrt nach Westen kündigt sich an. Nachdem ich getankt und die nötigsten Einkäufe getätigt habe, mache ich noch einen (sehr) kurzen Ausflug auf die Insel Tahitou. Bei Niedrigwasser gibt es einen Weg, den man zumindest zur Springzeit trockenen Fußes bewältigen kann. Jetzt bei Nippzeit bleibt in der Mitte zwischen den Austernfeldern etwas Wasser stehen, aber da kommt man barfuß schnell durch. Das Bild zeigt den Weg von der Insel aus Richtung St.-Vaast.
IMG_20240730_123125_Weg nach Tahitou Im strahlenden Sonnenschein wandere ich hinüber und werde unterwegs von dem Ungetüm von Bus überholt, der im Grunde ein Schiff mit Rädern ist. Bei Niedrigwasser bringt er Touristen über den Weg (The Run) zur Insel und bei Hochwasser nimmt er den kürzeren Weg schwimmenderweise zwischen den Molen.
Auf der Insel werde ich von einem Touristenhüter empfangen, der mich über meine Pläne ausfragt und ob ich zu Fuß gekommen sei. Er empfiehlt mir, innerhalb der nächsten Viertelstunde den Rückweg anzutreten, denn das Wasser käme nun zurück und die Boote/Busse seien ausgebucht. Ich meine zwar, richtig gerechnet zu haben, aber wenn die lokale Bevölkerung einem etwas über die Gezeiten erzählt, ist man in der Regel gut beraten, darauf zu hören. Ich drehe also nur eine kurze Runde durch den tollen Garten auf der Insel und nehme mir das Fort und eine genauere Tour für den Rückweg vor.
IMG_20240730_122702_Tahitou Haus
IMG_20240730_122912_Garten Nachdem ich auf dem Weg die Austernfelder genauer betrachten konnte, nehme ich beim lokalen Händler ein halbes Dutzend (und eine Zitrone!) mit zu Akka und mache mich ans Werk. Mit unterschiedlichen Werkzeugen schaffe ich es, sie zu knacken ohne mich zu verletzen. Austern sind eine interessante Erfahrung - erstaunlich lecker, aber nichts für jeden Tag und viel Arbeit. Außerdem bleiben viele Schalen übrig, die ich aber am nächten Tag vor der Küste im Meer recycle.
IMG_20240730_180637_Austern Den letzten Abend in St.-Vaast-La-Houge nutze ich für die Routenplanung. Da die Gezeitenströme in der Gegend der Kanalinseln gewaltig sind, möchte ich ungefähr mit "slack water" die Strecke zwischen Cap La Hague und Alderney überqueren. Daher male ich mir Meilensteine in die Karte, um meinen Fortschritt gegen die Planung abgleichen zu können - klingt irgendwie nach Projektmanagement, mit dem Unterschied, daß das Nichterreichen von Meilensteinen in meinem Fall echte Konsequenzen haben muß.
Nächstesmal dann: Umrundung der Halbinsel Cotentin.
IMG_20240731_060719_Abfahrt