Segeln mit Akka

Umrundung der Halbinsel Cotentin

Ursprünglich war Cherbourg als Zwischenstop eingeplant, um von dort aus präziser den Zeitpunkt der kenternden Stroms im Alderney Race treffen zu können. Allerdings ergibt sich beim genaueren Studium der Stromkarten, daß das auch von St. Vaast aus direkt und somit in einer Tide möglich sein sollte. Ich muß dazu etwas vor dem Kentern des Stroms an der Ostküste von Cotentin losfahren, erreiche dann das erste Kentern (von NW auf SE) am Pointe de Barfleur, was auch empfehlenswert ist. Anschließend schiebt mich eine ganze Tide nördlich von Cherbourg vorbei, sodaß ich kurz vor oder mit dem nächsten "slack water" die kurze Strecke zwischen Cap La Hague und Alderney schaffen sollte. Wegpunkte in der Karte lassen mich den Fortschritt während der Reise prüfen.
Nach einem letzten Schauer geht es kurz vor Sonnenaufgang los. Zuerst wird Tahitou südlich umrundet - Le Run zu überqueren und somit abzukürzen, traue ich mich nicht, auch wenn die Fischer das alle machen. Erst wird noch gegen den Reststrom und den Nordostwind mit Motor gefahren, aber noch vor dem Pointe de Landemer setze ich Groß und Fock, die etwas mithelfen.
IMG_20240731_071302_Sonnenaufgang_St Vaast Bald kann ich den Motor zumindest für ein paar Stunden abstellen. Am Pointe de Barfleur ist die See, wie an den meisten Kaps, reichlich konfus. Ich kann mir vorstellen, wie das hier bei Wind und Strom sein muß. Die Bedingungen heute sind fast ideal. Die Tonne Basse du Renier erreiche ich um 0930, was gut zu meinem Zeitplan paßt und eine halbe Stunde später bin ich nördlich von Cap Levi. Ab hier muß der Motor wieder helfen, denn der wenige Wind kommt jetzt genau von achtern und mit dem nervigen Seegang schlagen die Segel. Also rolle ich die Fock auf und hole das Groß nach mittschiffs, damit es zumindest das Rollen dämpft. Immerhin schiebt der Strom nun ordentlich und ich erreiche über mehrere Stunden mehr als 7 kts über Grund. Die gewaltigen Molen von Cherbourg sind am Horizont zu erkennen. Zum Glück ist wenig Fracht- und Fährverkehr. Nur ein Schiff von 80m Länge, das als "Pleasure Craft" im AIS angezeigt wird, kommt mir etwas näher. Aber Geräte solch einer Größe werden zum Glück normalerweise von einer professionellen Crew bedient, deswegen brauche ich mir keine Sorgen zu machen.
20 Minuten vor der Zeit rausche ich am Cap de La Hague vorbei. Hier wartet wieder eine konfuse See, weil mehrere Wellenfronten aufeinander treffen. Zum Glück ist sie nicht hoch und der Seegang legt sich auch bald. Die Küste bleibt schnell zurück und ich tausche die Gastlandflagge von Frankreich gegen die gelbe Q-Flagge.
IMG_20240731_130024_Q flag Diese zeigt im nächsten Hafen an, daß man noch nicht "eingereist" ist. Also noch keine Zollerklärung abgegeben und anderen Formalitäten erledigt hat. Erst danach wird sie gegen die lokale Gastlandflagge (die ich vor Ort noch kaufen muß) getauscht.
Bis dahin ist es aber noch ein Stück. Rund 25° muß ich im Alderney Race oder auch "Raz Blanchard" nach Norden vorhalten, denn der Strom ist noch recht ordentlich. Die See verhält sich aber anständig und so ist es kein Problem, außer der merkwürdigen Optik. Man hat ständig das Gefühl, daß man weit an der Insel vorbeifahren würde.
IMG_20240731_133920_Landfall Alderney Der Strom läßt näher an der Insel dann deutlich nach und bei der Ansteuerung zum Braye Harbour, dem einzigen Hafen von Alderney, ist er fast verschwunden. Die lange Mole ist bald in Sicht. Hier muß man aufpassen, denn in Verlängerung der Mole ist es nicht unmittelbar tief sondern das Fundament der früher geplanten Erweiterung der Mole sorgt dort für einige Untiefen.
IMG_20240731_142744_Hafeneinfahrt Braye Um halb drei Uhr nachmittags ist das Tagwerk schon geschafft und ich sammele eine Muringleine in der vorletzten Reihe des Hafens auf. Hier ist man noch am besten vor dem Schwell, der in den Hafen drückt, geschützt. Besonders ruhig liegt man dennoch nicht, wie sich in den nächsten Tagen und Nächten zeigen wird. Die Murings sind aber in bestem Zustand und für sehr schwere Schiffe ausgelegt, also muß ich mir keine Sorgen machen. Die monströse Mole reicht bis an Akkas Mastspitze, sodaß ich auch windgeschützt liege. Warntafeln vor der Mole deuten aber darauf hin, daß man bei schwerem Sturm auf der Mole auch schonmal naß werden kann.
IMG_20240731_144347_Mole Braye Zoll ist schnell erledigt. Hier muß man sich nicht vorher anmelden oder dergleichen. In einem wasserdichten Schränkchen liegen Formulare bereit (aber kein Stift), und direkt daneben ist ein Briefkasten, in den man das Formular einwirft. Im Wesentlichen werden die Boots- und Mannschaftsdaten abgefragt, und ich muß nur versichern, daß ich nichts zu verzollen habe. Auf Alderney werde ich auch nicht weiter dazu befragt.
IMG_20240731_144817_Akka Muring Nach einer kurzen Besichtigung des völlig ausgestorbenen aber sehr hübschen Städtchens St. Anne und einem kleinen Einkauf lasse ich mich vom Wassertaxi wieder zurück zu Akka bringen. Ich hätte auch mein Dinghy aufpusten können, um an Land zu kommen, aber es ist einfach bequem, wenn man per Funk das Schlauchboot rufen kann, das einen übersetzt. Die Betreiber haben in der Regel auch ein paar gute Infos und Tips für Hafen und Umgebung parat.
Der Wind sieht für Freitag gut aus, um nach Guernsey zu kommen, also bleibt mir nur der Donnerstag, um die Insel zu besichtigen. Zuerst führt mich der Rundweg um die Insel (ca. 8 Meilen - ich nehme an, die meinen Landmeilen, prüfe das aber nicht genauer nach) nach Osten an der Roselle Battery vorbei zum Fort Albert. Ohnehin besteht die Insel hauptsächlich aus Forts und Befestigungen unterschiedlicher Epochen. Sie scheint als Aussichtspunkt so vorgelagert vor der Küste gut geeignet gewesen zu sein.
IMG_20240801_105330_Hafen von Berg Die meisten sind im Großen und Ganzen sehr gut erhalten und tagsüber geöffnet. Hinweistafeln und teilweise auch Videos erklären die Geschichte des jeweiligen Bauwerks. Manche werden aber auch als Sommerhaus verwendet - mit meist unverbaubarer Aussicht.
IMG_20240801_105344_Sommerhausbunker An mehreren Stränden vorbei, die teilweise zum Baden geeignet sind, manchmal aber auch bösen Strömungen ausgesetzt sind, geht es bergauf und wieder bergab. Einen besonderen Platz hat der Bunker "The Odeon", einer von mehreren Peilbunkern auf den Kanalinseln. Es stellte sich aber heraus (Überraschung!), daß man feindlichen Schiffe nachts und bei schlechter Sicht nicht so gut optisch peilen kann, deswegen wurde auf Alderney nur der eine gebaut.
IMG_20240801_130615_Odeon Bunker Wie oft bestimmte Festungen wiederverwendet wurde, zeigt sich an einem Ort, wo die Römer vor 2000 Jahren bereits ein Fort erbaut hatten. Der größte Teil der Festungsmauer steht auch noch und wurde über die Jahrhunderte immer wieder neu genutzt und diente zum Schutz der benachbarten Ankerbucht.
IMG_20240801_122402_Roemisches Fort Zumindest bietet die Mauer heutzutage durch ihre imposante Höhe schön Schatten, den ich zum Mittagessen nutze. Alderney ist schon sehr britisch, was sich in der Auswahl an Backwaren zeigt. An Steak-and-Kidney-Pie habe ich mich nicht herangetraut, aber es gibt ein anderes fleischgefülltes Teilchen - gar nicht schlecht.
Nach der Besichtigung eines Krankenhausbunkers ist es dann mit Bunker für heute genug. Ich erreiche St. Anne auf der Bergseite und nehme einen kleinen Umweg nach Norden zum Strand und zurück zum Hafen. Das Wassertaxi bringt mich zurück zu Akka und der Skipper berichtet mir über die Versorgung der Insel. Offenbar ist gute Voratshaltung wichtig - im Winter kann es schonmal vorkommen, daß die Insel wochenlang nicht angefahren werden kann.
Für Freitag sind 3-4 Bft angesagt und sogar die Richtung ist mit NW geeignet, um mich segelnderweise nach Guernsey zu bringen. Die Tide paßt auch, sodaß ich die Abfahrt für kurz vor 0900 plane. Die Gezeitenströme sind hier selbst für größere Segelschiffe unüberwindbar, und "The Swinge" kann garstig werden. Aber das wird sich dann zeigen...
Nächstesmal: Guernsey!
IMG_20240802_061604_Abfahrt