Segeln mit Akka

Von Holland nach Zeeland

Bei besten Sonnenschein verlasse ich Gouda am Sonntag und richte mich nach einem der Wegweiser, die an den wichtigen und manchman unübersichtlichen Kreuzungen der Staande Mastroute stehen. In diesem Fall ist es einfach - nach Süden, und die erste Schleuse, die auf die Hollandsche IJssel führt, kommt schnell in Sicht. Das nette Schleusenpersonal macht zügig eine Kammer bereit, die nicht von großen Berufsschiffen verwendet wird und Akka erreicht das erste Gezeitengewässer der Reise.
IMG_20240707_072111_Platbodem in Gouda Im Konvoi mit zwei anderen Segelbooten geht es bei abnehmendem Sonnenschein weiter durch Moordrecht nach Krimpen a.d. IJssel. Der Ebbstrom schiebt anständig - hier hilft er noch. An der Algerabrug in Krimpen gibt es ein mächtiges Sturmfluttor, das das Hinterland vor Hochwasser schützen soll. Die Tore stehen zwar offen, aber die Brücke öffnet nur gelegentlich, also ist kurz Warten angesagt.
IMG_20240707_101428_Algerabrug_Krimpen Hinter der Brücke ist es nicht mehr weit zur Maas - über die man auch auf die Nordsee abbiegen könnte. Die Staande Mastroute geht aber links herum, ein Stückchen die Nieuwe Maas aufwärts. Hier bremst der Ebbstrom allerdings gewaltig. Aus 5 Knoten durchs Wasser werden 3 Knoten über Grund. Aber von den Rheinschiffern und Mark Twains "On The Mississippi" weiß man ja, daß beim Fahren flußaufwärts "hugging the bank" angesagt ist. Anderen Booten auf der Maas und den folgenden Gewässern scheint das nicht so klar zu sein, sodaß Akka mit ihren 6 PS gut mithalten kann. Flußkreuzfahrtschiffe sind auf der Maas mehr unterwegs als Frachter. Von größerem Interesse sind allerdings die Wasserbusse, die hier unheimlich schnell unterwegs sind.
IMG_20240707_113715_Flusskreuzfahrtschiff Nach wenigen Kilometern (wie man binnen Entfernungen mißt) biege ich rechts ab in ein Gewässer namens Noord. Auch hier steht etwas Ebbstrom Richtungen Norden, also entgegen, aber nicht mehr so stark wie auf der Maas. Bei Oostendam erscheint eine Brücke über die Noord mit dem inspirierten Namen "Brug over de Noord". Durchfahrthöhen-Pegelmarkierungen zeigen rund 12,2 m, also kein Problem für Akka mit ihren 10,5 m, die ich allerdings nie nachgemessen habe. Trotzdem ist es kurz spannend. Die anderen Segler müssen am beweglichen Brückensegment warten bis es sich öffnet.
IMG_20240707_115809_Brug over de Noord Hinter der Brücke teilt sich das Fahrwasser und für kleine Boote wird empfohlen, westlich des Sophiapolders zu bleiben. Hier ist kein Berufsverkehr und die Strecke ist etwas hübscher. Die restliche Noord ist zwischen hohen Deichen ziemlich langweilig, aber hier stehen Bäume im Wasser und es sieht etwas natürlicher aus.
Nachdem sich die beiden Fahrwasser wieder vereinigt haben, kommt die nächste große Kreuzung am Drierivierenpunt in Dordrecht, wo die Noord auf die Oude Maas trifft. Dordrecht scheint eine ausgesprochen hübsche Stadt zu sein, die einen Besuch wert ist. Ich muß aber weiter und möchte das Tageslicht nutzen, um Strecke zu machen.
IMG_20240707_123940_Dordrecht Nach der Abzweigung auf die Oude Maas kommt die große Spoorbrug in Dordrecht in Sicht. Hier ist viel Berufsverkehr mit enormen Schubverbänden, aber man arrangiert sich, denn auch den Großen ist klar, daß die Yachten vor der geschlossenen Brücke, an der es keinen Wartesteg gibt, irgendwo kreisen müssen. Hier zeigt der Pegel nur eine Durchfahrthöhe von 10,5 m an - das ist mir doch zu knapp, auch wenn die Antenne auf dem Mast eigentlich nachgeben sollte.
IMG_20240707_125653_Spoorbrug Dordrecht Die Oude Maas befahren wir nicht lange, sondern biegen nach der Brücke wieder nach Süden ab auf das sechste Gewässer heute - die Dordtsche Kil. Dieser Abschnitt ist glücklicherweise brückenfrei, wenn auch sonst nicht besonders interessant. Hier gibt es keine Buhnen und das Ufer ist befestigt, sodaß die geringere (Gegen-)Strömung in der Grenzschicht genutzt werden kann, um schneller voranzukommen.
IMG_20240707_141752_Dordtsche Kil Am südlichen Ende mündet die Kil in das Gewässer Hollandsch Diep, das Richtung Nordsee zum Haringvliet wird. Jetzt ist das Rheindelta endlich erreicht und die Gewässer werden wesentlich breiter. Hier ist immer noch reichlich Frachtverkehr, aber man kann sich besser aus dem Weg gehen. Ich halte mit nach Westen und folge dem Fahrwasser für Yachten, das sich zunächst am Nordufer hält. Im Westen sind dunkle Wolken zu sehen, die heftigen Regen und Gewitter bringen sollen. Sie scheinen aber nicht direkt in meine Richtung zu ziehen sondern eher nach Norden. Als die Haringvlietbrug in der Regenwand verschwindet, ziehe ich trotzdem lieber das Ölzeug an. Kurz danach lohnt es sich schon, denn ein Ausläufer der Front bringt noch kurz ordentlich Regen mit sich. Der Gegenwind erzeugt in Kombination mit den Wellen der Frachter auch ganz anständigen Seegang, aber das Wasser, das überkommt, ist erstaunlich warm.
IMG_20240707_153515_Gewitter Hollandsch Diep Mit dem Rest Regen ist Willemstad erreicht, eine alte Festung am Südufer des Hollandsch Diep. Der Stadthafen liegt direkt unterhalb einer der Festungsmauern und ist nur wenige Schritte vom Zentrum entfernt. Unauffällig in das historische Zentrum integriert ist auch eine Tankstelle, bei der ich meine Kanister wieder befüllen kann, um für den nächsten Abschnitt Richtung Südwesten (mit Gegenwind!) gerüstet zu sein.
IMG_20240707_165241_Willemstad Am nächsten Vormittag, etwas später als sonst, laufe ich wieder aus und reihe mich in die Warteschlange an der Yachtschleuse zum Volkerak ein. Hier ist schon wesentlich mehr Verkehr von Yachten als bisher. Das Delta ist ein sehr beliebtes Wassersportgebiet, und an den Schleusen kann im Sommer schonmal Stau entstehen.
IMG_20240708_113030_Volkeraksluis Dem mäßigen Wetter geschuldet, ist das zum Glück heute kein Problem. Auf dem Stück zur Krammersluis, die das Vokerak mit der Zierikzee verbindet, passiert nicht viel. An der Krammersluis ist auch kaum Betrieb und schnell ist sie passiert.
IMG_20240708_143632_Krammersluis Auf der Zierikzee ist wenig Wind, dafür etwas Tide gegenan. Wir fahren jetzt im Salzwasser und das Gewässer wird bald sehr breit. Hier können die Gezeitenströme rund 2 Knoten schnell werden, was hilft, oder eben nicht. Zunächst hilft der Strom nicht, aber nachdem eine unübersichtliche Stelle am Vandelingsplaat umschifft ist, geht es im Engelse Vaarwater flott voran. An der NW-Seite des Flachs muß man aber gut aufpassen, daß der Strom einen nicht auf das Flach (und die Muschelfarm davor!) treibt. Mehrere Traditionsschiffe, von denen mir heute viele entgegenkommen, haben damit auch ihre liebe Mühe. Die paar Tonnen hier bieten auch keine gute Referenz; zumindest bis man durch die gelben mit dem X als Toppzeichen hindurchtreibt. In der Ferne ist die gewaltige Zeelandbrug zu sehen. Akka paßt darunter durch, aber größere Schiffe müssen die Klappbrücke am Nordende der vielen Spannen nehmen. Ich halte mich aber nach Süden und erreiche bald Kats.
IMG_20240708_165316_Zeelandbrug Hier hilft mir ein alter Segler beim Festmachen, der von meinem Vorhaben keineswegs schockiert ist. Er hat den Atlantik mit seiner Bavaria 40 mehrfach überquert (das erstemal, weil ihm in Brasilien das Segeln gefehlt hat) und segelt seit über 50 Jahren einhand. Natürlich kennt er die Hurleys und meint, die Boote seien eh stärker als die Mannschaft. Er wünscht mir viel Spaß - das motiviert natürlich.
Von Kats aus ist am nächsten Morgen nach einem kurzen Schlag nach Süden und durch die unvermeidliche Schleuse und Brücke das Veerse Meer erreicht.
IMG_20240709_092615_Zandkreeksluis Das Veerse Meer ist ein hübsches Gewässer, das mich an die Schlei erinnert. Es gibt breitere und schmalere Abschnitte und gelegentlich kleine Ortschaften mit Häfen am Ufer, aber auch Anleger abseits, an denen man ruhig liegen kann. Natürlich findet hier viel Wassersport statt und das Wetter ist auch ausnahmsweise mal gut dafür. Allerdings ist für den Nachmittag "Code Oranje" angesagt, weil aus SW eine Kaltfront aufzieht, die gegen 1600 Wind, Gewitter und Hagel bringen soll. Deswegen drängt die Zeit ein wenig. Immerhin kann zwischendurch ein wenig gesegelt werden, weil der Wind günstiger steht als sonst.
IMG_20240709_104912_Veerse Meer_Segeln Aber schon an der Erdbeerinsel wird wieder motort. Hier geht es nach Norden zum Städtchen Veere, nach dem das Gewässer benannt ist.
IMG_20240709_113935_Aardbeieneiland Am Stadtrand öffnet sich die Einfahrt zum Kanaal door Walcheren. Hier gibt es wieder eine Schleuse, aber ich habe Glück, denn die ersten Yachten fahren gerade ein und ich muß nicht warten. Dahinter geht es im Konvoi nach Süden Richtung Middelburg. Akka bildet wieder das Schlußlicht, aber das stört mich nicht - wenn man die Öffnungszeiten der Brücken im Auge behält, kann man die Ankunft an der nächsten gut planen, ohne daß man Vollgas fahren muß.
IMG_20240709_122812_Konvoi_Kanaal_Walcheren Vor der Stationsbrug in Middelburg ist dennoch Warten angesagt. Die nächste Blauwe Golf ("Blaue Welle"), bei der Yachten mehr oder weniger in einem Schwung durch die ganzen folgenden Brücken bis nach Vlissingen gelassen werden, ist erst in einer halben Stunde. Obwohl die Brücke pünktlich zur angegeben Zeit öffnet, ist das nur für den entgegenkommenden Verkehr. Das stand so nicht im Almanach, aber ich bin früh genug dran und Vlissingen ist nicht mehr weit. Im Westen zeigen sich aber schon dunkle Wolken und es wird windiger.
Ganz reibungslos geht die Blaue Welle nicht vonstatten, aber mit guten Tempo fahren wir zu viert durch Middelburg und erreichen bald den Stadtrand von Vlissingen. Nachdem wir eine Weile im kreisrunden Becken der Keersluis herumgetrieben sind, öffnet sich die Straßenbrücke und wir erreichen den inneren Hafen von Vlissingen.
IMG_20240709_144621_Keersluisbrug_Vlissingen Der Yachthafen ist direkt hinter der Brücke am Ostufer und bietet anständige Einrichtungen. Hier kann ich auch mal meine Wäsche waschen und ein bißchen arbeiten. Routenplanung kommt natürlich auch nicht zu kurz - ich muß ab jetzt Wetter und Gezeiten noch besser im Blick haben, denn dieser Abschnitt ist der letzte im Binnenland. Vor dem Schleusentor der Zeesluis liegt die Westerschelde, die schon ganz entschieden Nordsee ist.
Mit W., der mich bestens in der Belgischen Lotsensozietät versorgt, können wir uns auf einem Trip mit der Fähre nach Breskens davon überzeugen. Auf der Westerschelde ist heftiger Verkehr von großen Seeschiffen, die bis Antwerpen hinauffahren. Deswegen wird das Lotsengeschäft im niederländischen Hafen auch von belgischen Lotsen betrieben. Vermutlich um dem Heimweh entgegenzuwirken, gibt es im Restaurant eine große Auswahl von belgischem Bier.
IMG_20240710_172349_Bier
Nächstesmal: Ein Vorgeschmack auf die Nordsee...
IMG_20240711_121144_Zeesluis_Vlissingen