Warten auf den Wind
In den vergangenen Wochen war es schon schwer gewesen, für die Etappen nach Norden und dann nach Osten einen vorteilhaften Wind zu erwischen. Jetzt etabliert sich im Norden ein stabiles Hochdruckgebiet, das uns für längere Zeit mit Nordostwind versorgt. Für meine Strecke über die Biskaya denkbar ungünstig und auch nicht geeignet, um weiter nach Osten zu kommen. Ribadeo gefällt mir aber und deswegen übe ich mich in Geduld und sehe mir derweil die Gegend an.
Nachdem ich meine Einkäufe erledigt habe und die Wäsche wieder sauber ist, fahre ich am 2. Mai nach Esteiro, ein paar Kilometer weiter westlich. Dort liegt das in ganz Spanien bekannte Monumento Natural Praia das Catedrais, also der Strand der Kathedralen. Mit der Küstenschmalspurbahn ist die Strecke schnell zu überwinden, aber erstmal muß ich herausfinden, wann eine fährt (schon nicht ganz einfach), und von welchem der drei Gleise in Ribadeo sie abfährt. Ich hätte diese Informationen gerne schon frühzeitig gehabt, aber hier funktioniert das etwas anders. Die Züge aus Osten und Westen treffen sich hier und drehen wieder um, aber sie warten aufeinander, damit alle Passagiere ihren Anschluß erwischen. Derweil läuft das Zugpersonal des ersten Zugs, der ankommt, über den Bahnsteig und informiert die Wartenden. Alles halb so wild also und ein bißchen Verspätung wird auf der Strecke unterwegs wieder aufgeholt. Damit der Zug nicht bei jedem Bauernhof anhalten muß, erfragt der Schaffner direkt nach der Abfahrt bei jedem Passagier sein Reiseziel und gibt eine Liste an den Fahrer. Danach macht er eine weitere Runde und verkauft die Fahrkarten (am Schalter oder Automaten gibt es keine!). Wie in Galizien und offenbar auch Asturien üblich alles sehr persönlich und unkompliziert, aber für mich ungewohnt!
Die Formalitäten sind also geklärt, und wenig später wird schon die Station von Esteiro angesagt. Es handelt sich dabei nur um einen Bahnsteig auf freier Strecke - ein kleiner Pfad führt an einer Weide entlang zu einem Bauernhof. Esteiro selbst besteht auch nur aus ein paar Häusern.
Zu Fuß geht es durch Felder ein Stück weiter bis ein riesiger Parkplatz an der Küste in Sicht kommt. Das muß es wohl sein. Plötzlich bin ich von Massen von Touristen umgeben, die sich alle eine Treppe herunter zum Strand wälzen. Ein heftiger Kontrast zum fast leeren Zug.
Leider bekomme ich die berühmten Felsbögen nicht zu Gesicht. Ich vermute, die Tide ist nicht niedrig genug und man kann nicht bis dorthin laufen. Ich mache nur ein paar Bilder der Felsen, die ich sehen kann und suche schnell wieder das Weite.
Ich suche mir den nächsten Wanderweg nach Norden und lasse die vielen Touris hinter mir. Nur einen halben Kilometer weiter sind nur noch eine Handvoll Leute unterwegs. Die Küste ist sehenswert! Teilweise schneiden Felsspalten einige hundert Meter ins Land, es gibt diverse Buchten mit schönen Stränden und einigen freistehenden Felsinseln davor.
Nachdem ich mich ein bißchen über die Schmalspurbahn wie sie heutzutage fährt und über die alte Erzbahn informiert habe, beschließe ich, den Spuren der Bahn nach Süden zu folgen. Es sieht so aus als gäbe es einen Weg, der auf der alten Strecke verläuft. Zunächst geht es noch ganz gesittet auf der Straße und schön befestigten Wegen am Río Eo entlang mit einem schönen Blick auf Castropol, das Ribadeo gegenüber liegt.
Der Río Eo ist nach Ribadeo recht flach, deswegen verirren sich nicht viele Boote hier hinein. Angler und Ruderer sieht man aber öfter. Am Südrand der Stadt hat der lokale Ruderclub seine Anlage. Ansonsten ist es eine große Bucht in schöner grüner Landschaft.
Hier gibt es auch eine kleine Gezeitenmühle, die als Reservoir hinter dem Damm eine kleine Bucht nutzt. Der Wanderweg führt über den Damm und dann der Berg hoch.
Ein nagelneuer Wegweiser zur Senda do ferrocarril (sogar mit klarem Hinweis "nach Pontenova") verleitet mich dazu, den Weg weiter zu beschreiten. Anfangs sieht er auch noch ganz anständig aus. Nur auf eine beeindruckenden alten Brücke wächst schon recht viel Gras.
Das Holzgeländer ist auch neu und es sieht aus als würde der Weg zumindest manchmal gepflegt.
Hinter der Brücke kommt ein alter Tunnel, der schon etwas unheimlich ist. Andere Wanderer sehe ich hier übrigens den ganzen Tag nicht. Am Tunnelausgang sehe ich aber Spuren davon, daß hier letztens das Gestrüpp auf dem Weg geschnitten wurde. Mit welchem Gerät man hierher kommt, ist mir aber nicht ganz klar. Der Weg ist recht schmal für Fahrzeuge und auch nicht gut erreichbar.
Ich überlege, ob ich von der alten Strecke einfach auf die neue wechseln und den Gleisen folgen soll. Der Zug ist nicht schnell, ziemlich laut und es gibt genug Platz zum Ausweichen (für mich, nicht für den Zug), aber ich entscheide mich dann doch dagegen. Möglicherweise eine falsche Entscheidung, denn kurz danach biegt die alte Strecke ab und ist nun völlig überwuchtert. Das sieht zwar hübsch aus, aber durch den Regen letzte Nacht ist es ziemlich naß und es verstecken sich auch einige Dornen dazwischen.
Ich brauche sicher eine Stunde, um dem Gestrüpp zu entkommen und das auch nur, weil ich irgendwann die Nerven verliere und rechterhand einen kleinen Hang hochklettere, wo sich oben ein Waldweg befindet (Openstreetmap sei Dank!). Von hier aus laufe ich mit nassen Schuhen zum nächsten Bahnhof, vom dem aus ich den Zug zurück nehmen möchte. Leider ist dieser stillgelegt...
Nach etwas Recherche laufe ich noch ein paar Kilometer bis Pontenova, wo ich zum erstenmal Asturien erreiche. Zum Glück ist hier auch im Nirgendwo das Mobilnetz prima. Auf die Aushänge an abgelegenen Bushaltestellen kann man sich nicht immer verlassen.
Währende meine nassen Halbschuhe noch trocknen, nehme ich am nächsten Tag meine anderen Schuhe und setze mich wieder in den Zug. Diesmal nach Osten, wo ich mir in Luarca den Hafen und die Stadt ansehen will. Vielleicht ist es ja als nächstes Segelziel noch eine Alternative.
Das Wetter ist noch etwas grau aber trocken als ich Luarca nach einer längeren aber spannenden Fahrt erreiche. Die Strecke der Schmalspurbahn führt entlang der schroffen Küste von Asturien durch viele kleine Ortschaften, Wald, Weiden, viele Brücken und Tunnel. Der Bahnhof von Luarca liegt oberhalb der Stadt im Süden und es sind einige Höhenmeter, die man zum Río Negro herabsteigen muß, an dem die Stadt liegt.
Der Hafen besteht aus einen Vorhafen, in dem auch Yachten festmachen sollen, wenn sie sich hierher verirren. Zwei oder drei Muringbojen liegen bereit, und man soll laut Revierführer eine Achterleine zur Mole ausbringen. Wie man das an der hohen Mole bewerkstelligen soll, erschließt sich mir aber nicht. Vielleicht kann man im südlichen Teil des Vorhafens ankern, wenn man weiß wo die Felsen sind. Alles in allem nicht besonders gemütlich...
Ganz anders hingegen der innere Hafen. Perfekt geschützt inmitten von hohen Felsen auf denen die Stadt steht, liegt der kleine Hafen von Luarca, der allerdings brechend voll ist. Am Ufer liegen kleine Motorboote, Fischerboote und vereinzelte Segelyachten. In der Mitte an Murings die größeren Boote. Mit etwas Glück könnte ein Gast hier wohl einen Liegeplatz bekommen, aber verlassen sollte man sich nicht darauf.
Luarca hat auf der höchsten Klippe natürlich einen Leuchtturm, direkt neben einer der Kirchen des Ortes.
Einen Kreuzweg gibt es hier auch, aber dieser ist wesentlich leichter zu beschreiten als der in San Francisco.
Auf dem Weg nach unten komme ich an einigen bemalten Tafeln vorbei, die Luarcas Stadtgeschichte erzählen.
In der Stadt ist heute ein Fest mit diversen Marktständen und natürlich gibt es auch in Asturien Pulpo! Daran kann ich nicht vorbei.
Mit einer Tüte Churros in der Hand laufe ich wieder zum Vorhafen von wo aus ein Weg nach oben geht. Dieser führt durch die Gärten "Fonte Baxa". Leider kommt man nur gegen Eintritt in den Park selbst, aber man sieht auch durch den Zaun genug und ich habe auch nicht genug Zeit, um mir alles anzusehen.
Auf der anderen Seite des Hügels öffnet sich der Blick von Nordwesten auf die Stadt. Sehr beeindruckend finde ich, wie die Häuser hier an die steile Felswand gebaut sind - in mehr oder weniger gutem Erhaltungszustand. Im Hintergrund sieht man die Brücken der Schmalspurbahn, die sich auf der anderen Seite des Tals entlangschlängelt.
Im Ort unten selbst gibt es ein paar schöne Häuser wie diese Villa und auch eine große verlassene Fabrik - die Firma existiert aber noch.
Das Bahnhofsgebäude ist auch sehr sehenswert, viel los ist hier aber nicht.
Nach einer weiteren interessanten Zugfahrt (man könnte es auch Schienenbus nennen) erreiche ich wieder Ribadeo.
Natürlich wandere ich nicht nur in der Gegend herum sondern beschäftige mich auch mit der Routenplanung. Je nach Windrichtung gibt es verschiedene Möglichkeiten nach Frankreich zu kommen. Ich würde ganz gerne weiter südlich ankommen als Brest, damit ich noch etwas von der südlichen Bretagne sehen kann. Die Varianten wären auch ein paar Meilen kürzer als direkt nach Audierne, was mein Ziel für den nördlichsten Kurs sein soll.
Zunächst ist aber immer noch schönes Wetter mit wenig Wind aus Nordost.!IMG_20250508_131633_Blick von Huegel auf Ribadeo
Auf dem Hügel bei der Capela de Santa Cruz steht ein großes Denkmal eines Dudelsackspielers - Galizien ist ja keltisch.
Die Küste direkt westlich von Ribadeo sehe ich mir auch noch an. Neben der hübschen Vegetation und der schroffen Felsen ist auch die Brandung hier teilweise eindrucksvoll. Im Nordwesten scheint ein kräftiges Tief Arbeit am Atlantik zu verrichten. Auch im Hafen spürt man den Schwell, wenn Flut ist. Der Ebbstrom hält ihn meistens ab.
Gegen Ende meines Aufenthalts in Ribadeo bekommt der Hafen noch Besuch von einigen KüMos, die am Yachthafen vorbeifahren und im schmalen Fahrwasser wenden, bevor sie rückwärts an die Mole fahren und festmachen. Von der Steilküste aus kann man das Manöver gut beobachten.
Gegen Mitte Mai zeichnet sich endlich eine leichte Winddrehung nach Ost ab, die mir ein Wetterfenster für die Überquerung der Biskaya öffnen sollte. Zwar heißt das drei Tage auf Am-Wind-Kurs segeln, aber Windstärke, Seegang und Wetter sehen ganz human aus. Ich hake also alle Punkte meiner Überfahrts-Einkaufsliste ab - ganz wichtig, damit ich unterwegs nicht kochen muß - und am Vormittag des 16. geht es endlich los. Davon mehr aber beim nächstenmal...