Segeln mit Akka

Westerschelde und Noordzee

Nach einem ausgiebigen Frühstück im Hotel De Timmerfabriek fährt mich W. noch zur nächsten Tankstelle, damit ich meine Kanister auffüllen kann. Anschließend macht er sich auf die Heimreise während ich mich noch für ein paar Stunden an den Rechner setze, um ein wenig produktiv zu sein. Aber um kurz vor 1200 geht es los und ich erreiche die Zeesluis in Vlissingen als sie gerade nach binnen geöffnet ist. Es geht ein paar Meter bergab und dann öffnen sich die Schleusentore auf die Westerschelde. Ziel ist für heute nur der kurze Schlag nach Cadzand, das noch in den Niederlanden liegt, aber schon auf der belgischen Seite der Westerschelde. Es ist noch ablaufendes Wasser, aber nicht mehr so stark wie noch vor zwei Stunden. Das ist gut so, denn der Wind steht (natürlich) gegenan und hier kann sich eine schöne Welle aufbauen. Der Revierführer spricht von "It's a sight to behold". Es sind heute vielleicht 4 Bft und nicht ganz zwei Knoten Strom, aber die Wellen können sich sehen lassen. Ich versuche es zwischendurch mit Kreuzen unter Genua, aber es hat keinen Zweck, deswegen muß der Motor wieder ran. Am Breskener Leuchtturm vorbei geht es dann entlang des Südufers auf die Nordsee hinaus. Glücklicherweise ist die Rush Hour schon vorbei, die sich hier immer um Hochwasser abspielt, denn nur dann können die großen Pötte bis Antwerpen durchfahren.
IMG_20240711_130128_Leuchtturm Breskens Das Wetter ist bestens und der Strom schiebt noch. So dauert es nicht lange bis der Hafen von Cadzand erreicht ist. Nach nur zweieinhalb Stunden mache ich fest. So ist die Strecke nach Dünkirchen, das meine nächste Station sein soll, zumindest etwas kürzer.
Cadzand ist ein relativ langweiliger Hafen, wenn auch exzellent gepflegt, aber hier übernachte ich nur und mache mich am Freitag schon auf den Weg nach Westen. Es ist Nord bis Nordost vorhergesagt, mit 4 Bft, in Böen 6, und das muß man nutzen. Nach Dünkirchen sind es rund 45 NM, aber mit Zeebrugge, Oostende und Nieuwpoort gibt es Stationen zwischendurch, die als Ausweichhäfen dienen können. Damit die Reise nicht nur aus eitel Sonnenschein besteht, ist mehr oder weniger starker Regen vorhergesagt.
Der kommt auch, nur eine halbe Stunde nach dem Auslaufen schon und dann gleich in Strömen, weswegen es auch keine Fotos von unterwegs gibt. Ich bin aber auch mit Steuern beschäftigt. Zunächst geht es gut voran, aber mit dem Regen kommt auch mehr Wind als vorhergesagt. Der Seefunk Zeebrugge meldet durchgehend 6 Bft und mit der Zeit baut sich auch eine anständige See auf. In die Brandung möchte man nicht gerate, aber Akka schlägt sich prima - es stimmt, was man sagt, die Hurley 22 ist "a proper little yacht".
Von Zeebrugge fährt ein Baggerschiff heraus, kreuzt in einigem Abstand meinen Kurs, bleibt etwa 10 Minute an der Spitze einer Sandbank stationär und kommt dann zurück in den Hafen. Es hat mich zwar gesehen, aber es ist trotzdem immer mit einigem Streß verbunden, wenn so ein großer Brocken in der Nähe navigiert. Schließlich bleibt Zeebrugge im Regen zurück und ich kann mich wieder auf andere Dinge konzentrieren. Reffen beispielsweise kommt mir in den Sinn, als mal 9 Knoten auf dem GPS stehen. Akka schafft rechnerisch durchs Wasser nicht mehr als 5,2 kts aber mit Strom und im Surf die Welle hinab kann das schonmal sein. Allerdings wird das Steuern in Böen schwer, deswegen rolle ich die Genua ein paar Umdrehungen ein.
Leider entscheidet sich der Pinnenpilot, als er bei dem Manöver kurz mal übernehmen soll, dazu den Geist aufzugeben. Akka dreht also weiter in den Wind und die flatternde Genua schüttelt dabei ihre Schot so blöd über den Bugkorb, daß sie unter den Rumpf gerät und geborgen werden muß. Bei zwei Metern Welle kein ganz leichtes Unterfangen, aber nach wenigen Minuten geht es weiter. Inzwischen hat das Ölzeug seine Mühe, das Wasser draußen zu halten - immerhin ist es nicht besonders kalt. Ich entscheide mich dennoch dazu, nach Oostende auszuweichen, denn obwohl ich flott vorankomme, ist die Lust am Segeln gerade verflogen.
Als ich kurz vor der Hafeneinfahrt bin, springt die Ampel des IPTS allerdings auf dreimal rot und obwohl ich die Bedeutung des Signals nicht nachschlage, um sicherzugehen, ist die Sache relativ klar. Ich sehe auch schon, wie von drinnen ein gewaltiger Lotsenkatamaran ankommt, der den Hafen verlassen will. Weil immer noch zwei Knoten Strom quer zur Einfahrt setzen und die 6 Bft Wind auch nicht gerade Stillstand verheißen, bleibt mir nichts anderes übrig, als den Kurs nach Westen wieder aufzunehmen. Immerhin ist Nieuwpoort klein genug, daß mich dort keine Ampeln am Einlaufen hindern werden. Nicht ganz zwei Stunden später ist die Ansteuerung erreicht.
Mit einigem Erstaunen sind mir schon vor ein paar Meilen viele Segel vor dem Hafen aufgefallen. Nichts Ungewöhnliches, denn Nieuwpoort ist ein großes Wassersportzentrum, aber aus der Nähe stelle ich dann fest, daß hier eine Jollenregatta stattfindet! Sportliche Sache bei dem Wind und Seegang. Ö. erklärt mir später, daß es sich dabei um die Jugend-Europameisterschaft der Europe-Klasse handelt. Die sind hart im Nehmen!
Ich hingegen werfe den Motor an und komme mit einigen kräftigen Steuerausschlägen durch die nachlaufende hohe See zwischen die Molen, wo der Seegang schlagartig nachläßt. Selbst der Regen hat sich kurz vorher entschieden, daß Akka nun sauber sei und die Dusche eingestellt. In der langen Einfahrt das Flüßchen IJzer hinauf habe ich genug Zeit, mich um Leinen und Fender zu kümmern, bevor ich in den Hafen des WSKLuM (des Segelclubs der belgischen Luftwaffe) einlaufe. Sogar die Sonne ist inzwischen herausgekommen, sodaß mein Ölzeug und die Sitzkissen trocknen können.
Später nehme ich mir den Pinnenpilot vor und stelle fest, daß nur wenige Tropfen Salzwasser hineingelangt sind. Die haben offenbar einen MOSFET kurzgeschlossen, der bei der Regelung des Motors hilft, und dieser ist kurzerhand in Rauch aufgegangen.
IMG_20240712_174252_052_Pinnenpilot Am nächsten Tag fahre ich mit der Kust Tram nach Oostende, um dort nach einem kleinen Elektronikladen zu suchen, werde aber nicht fündig. Immerhin ist der Trip dafür gut, zu erkennen, daß ich der Hafenkontrolle Oostende für die rote Ampel dankbar sein sollte. Der Hafen liegt mitten in der Stadt, nebenan wird gerade für ein Festival aufgebaut und besonders hübsch ist das alles nicht. Nieuwpoort hingegen ist wirklich hübsch und der WSKLuM liegt am Rande eines Vogelschutzgebietes, wo es ruhig ist - von den Vögeln mal abgesehen.
IMG_20240712_211710_Voegel
IMG_20240714_214731_Sonnenuntergang Nach Dünkirchen hat es also nicht gereicht, aber das wären auch noch 18 NM gewesen, bestimmt drei Stunden extra und durch ein paar Sandbänke hindurch, die bei den Seegang unschön sein können. Aber immerhin kommt so meine bisher ungenutzte Belgische Gastlandflagge zum Einsatz!

Nächstesmal: Jetzt aber - Frankreich!
IMG_20240715_152306_Frankreichflagge